FAKTOREY - Ort

statt der Maschinenhalle Menzels und Piscators, statt der “Einsamen Pappel” von 1848, statt der großen Versammlungsplätze der XXer Jahre statt der Zeitungen der Öffentlichen Meinung. Statt Ausstellungseröffnungen, Konzerten, Schauspielen, Opern, Musicals, open air-Festivals, Filmvorführungen, Fotoausstellungen und VideoKunst-Ereignissen, Literatur-Festen, Zoo und Sechs-TageRennen, überhaupt Ereignissen. Dieser Anfang muß klar gedacht sein.

bestimmt vom Tanz, der derzeitigen Gesellschaftlichkeit des Tanzes, also von der Discothek, die sich als Ort einer klassen- und schichtenübergreifend praktizierten Ästhetik fest etablierte, einer Kunstgattung, in die fast jeder unmittelbar einsteigen kann, in der er sich und seine Mittänzer erlebt und oft kennenlernt, in denen er sich etabliert, erkennt und manchmal abarbeitet, ein Ort des Körpers und der Gegenwart, vielleicht ein authentischer, ein unmittel- barer Ort, dessen Vermittlung schnell zu begreifen ist.

Eine Lagerhalle aus 19oo. Ziegelbau, denkmalgeschützt. Zwei Etagen, übereinander, je 5o x 25 m groß. Unten große Türen zur Spree hin. Hafen-Außenanlage 3o m bis zum Wasser.

“Geburtshöhle” ist ein Wort, das ich von Wolfgang Fenner habe, dem Maler des Evolutionsdenkens.
Der Ort ist bestimmt durch seine Intensität. Er ist Begriff in seiner Wahrnehmung, ist ein Kunstort auf der Grundlage, Unmittelbares erfahren zu müssen. Es gibt die Geburt, die zweite Geburt (in die Gesellschaft, den Bildungsprozeß),
dann ist diese Geburtshöhle sozusagen der Ort der Dritten Geburt, der indes nur als Geburtsort erfahren werden kann, wenn wir Form, Intimität und Genauigkeit der ersten wie der zweiten Geburt beim Zustandemachen mitdenken.


Ein multimedialer Ort, dessen Boden, Decken und Wände die Informationen der Außenwelt so mitteilen wie die Organe der Innenwelt das begreifen, fühlen, also erleben können. Eine tanzende Fötus-Gesellschaft. Wenn sie nicht tanzte, gäbe es nichts, was sie motivieren könnte, sich in eine Geburtshöhle zu begeben. Das Einsteigen in die andere Realität, in die des Tänzers, den jeder Mensch in sich trägt, ist die Vorausestzung der Faktorey. Es muß ein erlebbarer InformationsRaum entstehen, d.h. einer, in dem man sich ohne Vorkenntnisse auskennt und wohl fühlen kann. Das heißt hier: die Notwendigkeit, eine Fülle komplexer Konditionen zu denken, darf keinesfalls dazu führen, den Besucher unter komplexe Konditionen zu setzen, mit denen er nicht umgehen kann, die ihm nichts sagen, oder die ihm gar zu kompliziert sind. Es herrscht hier nicht das Gesetz der Einfachheit oder der Komplexizität, sondern das einer im Tanz erfahrbaren Welt. Die Aufgabe des Künstlers - wie man diesen Einzelnen oder ein entsprechendes Team immer nennt - ist, aus gegebenen Quellen - siehe unten zu “Autorenschaft und Regie” - die Sprache zu artikulieren, die eine solche Erfahrung möglich macht. Das ist hier die Kunst.

Der Ort kann so sensibel sein wie eine Haut, so hart wie ein Schiffsrumpf und so überbelichtet wie die Bilder von Dali. Klein wie eine Streichholzschachtel, groß wie ein Flughafen. Wie immer man sich orientieren mag: Mutter geht zum
Zahnarzt, fliegt nach London, sitzt im Kino: wie wird der Fötus fühlen, wie wird sein Raum sich ändern. Gefängnis wird er nicht denken, dazu fehlt vermutlich die Erfahrung.
Zur dritten Geburt ist indes das Gefängnis - nach den vielenFilmen - dazu gekommen, die Träume, auf Glasschreiben im Himmel zu schaukeln, real im Zoo zu sitzen und der Ausbruch des Vesuvs in Fernsehen, überhaupt diese dritte Medienwelt ist zur ersten vorgeburtlichen und zur zweiten realen (und deren Verbindungen imTraum) dazu gekommen und will ihre Repräsentation.
Die dritte Geburt ist indes auch eine Klarheit im Verstand mit geometrischen Vorstellungen, evt. sogar mit dreiwertigen Logiken -und eine ausgearbeitete Sensibilität für Zwischenmenschliches und für Naturerleben. Halle, Wasser, open air und technik pur (also nicht als Erlebnisgeräte,sondern als Geräte einer eigenen Logik und Ästhetik) entsprechen als Ort diesem Anspruch. Zunächst wird man den kleineren Teil der Halle als Geburts-Tanz-Höhle installieren, d. h. beginnend mit Wänden, Projektionen, Licht, Tanzpodesten, einer Tanzfläche auf dem Boden, Spiegelungen, Variationen der Perspektiven eine Grundstruktur anlegen.