FAKTOREY die Handlung der Zustand

Was Aristoteles Mythos nennt, nennt Piscator Handlung: das Gerüst, an dem sich Texte, Szenerien, Kostüme und schließlich Charaktere zeigen im Ort im Licht, aufgebaut nach Schauplätzen, in denen sich Psychisches und Philosophisches aktuell ereignet.

Hier ist der Tanz die Handlung/der Zustand der Geburtshöhle. Ohne Tanz wäre sie weder Handlung noch Zustand. Wie kann man das, was bisher geschrieben wurde, andocken? erscheinen lassen?
Mythos sind die Berichte von der Entstehung der Welt. Einmal Entstanden ist sie ein Zustand: mit Menschen, Tieren, Pflanzen, Bergen und Meeren. Man erfährt sie nicht als entstehend, sondern als seiend. Der Zustand affiziert uns: die scheinende Sonne, auch ihr Untergang (wenn man darin eine Handlung sehen will), das Nasse des Wassers usw. Wir leben in diesem Environment. Es ist real. Wenn es bedroht wird wie jetzt, beginnt ein negativer Mythos in uns seinen Weg: wir wollen den Zustand aufrecht erhalten wissen und den Mythos vom Untergang weg haben. Jeder Tanzschritt bestätigt die Realität. Ist Zeitästhetik im Zustand des Raumes.

--< Diese Reduktion der Mitteilung - die auch ihre Unbestimmtheit verstärken kann - ist eine Eigenschaft der DiscothekenSprache: man setzt darauf, daß der Tänzer etwas erfahren will und kann - ein grober Unterschied zu den Überinformationen, denen Opernbesucher oft ausgesetzt sind, und den in Wiederholungszwängen sich gefallenden literatur- bestimmten Mitteilungsformen, die eigentlich nur den ewigen Zweifel der Schreiber ausdrücken, ob sie denn nun auch bestimmt richtig verstanden würden.Davon ist auf dem Tanzboden nicht die Rede. Hier ist der Rhythmus Wiederholung und Kontrast zugleich. Die Intelligenz einer Mitteilung und ihre Qualität, verstanden zu werden, bedürfen dennoch getrennter Prüfung.>

Die Zustands-Sensibilität erscheint als Eigenschaft des Tänzers, ist die Figur, die er tanzt, die Form, die durch ihn hindurch läuft. Er erscheint als diese Form in der Zeit. Sie ist umso deutlicher erkennbar, je intensiver sie ist, je näher sie zur Ekstase ist. Der Reichtum der Form ist die zweite Bestimmung. Der Weg der Figur hat unterschiedliche Qualitäten. Sie hängen mit dem Tempo zusammen, aber nicht von ihm ab. Tanz erzählt unmittelbar keine Story, hat keinen Verlauf, keinen Anfang und kein Ende, die dramatisch aufeinander Bezug nähmen. Tanz ist vorrangig Zustand.
Wenn unsere “Handlungen” in den Nächten nun “Vom Sonnenuntergang zum Sonnenaufgang” heißen oder “Sternbild Steinbock” oder “Die Zahlungsbilanz des Staates” oder “Rosa Luxemburg” oder “Polnisch-deutsche Geschichte”, so geht es niemals vorangig um Informationen, sondern zum einen um die Motivation, sich dem Thema zu öffenen, zum anderen um die wirkliche Erfahrung von Zuständen, aus denen Handlungen wachsen,wuchsen, aus denen Mord und Totschlag, aus denen Frieden, Glück oder Verheißung quollen. Grundlegende Vermutung dieser Vorgehensweise ist, daß die menschliche Sen-sibilität und ihre Kraft zur Veränderung ihres Zustands fast unbekannte Größen sind, um die sich die Demoskopen usw. auch nicht kümmern. Wir schmeißen die Leute mit ihren Bildern zu und sehen, daß sie wunschgemäß kaufen. Wir wissen, daß es keine wissenschaftlich anerkannte Theorie der Revolution gibt. Man weiß, daß nach dem I. Weltkrieg in Europa die Könige und Kaiser gestürzt wurden: unvorstellbar. Wir vertrauen Geschichten, und tun so als wüßten wir nicht, daß die großen Ungerechtigkeiten, daß die großen Hoffnungen eindringen in ein sagen wir ruhig kollektives Zustandsgefühl: es ist entscheidend. Nicht einzelne Handlungen und Weisheiten. Das ist die grundlegende Vermutung.

Dann würde das für die Auftritte, den Weg der Nächte der Faktorey bedeuten, daß wir zweierlei tun:
- wir folgen nur uns selbst, stellen in diese Nächte die Farben und Tempi, die Bilder und Schwärzen, die wir im Kontext zu uns selbst spüren: wir machen uns klar und schön. Wir folgen unserer Sensibilität und Klugheit und machen es uns nicht einfach mit der Struktur, mit den Zuständen unserer Angst und Hoffnung, unserer Trauer und Gier, unserer Zärtlichkeit und Verletzbarkeit. Wir können den Contrabaß der Abkehr von außen durch Grellheit und Lautstärke jederzeit fahren. Darin können wir immer besser werden. Und variantenreicher. Das Wahrnehmen des Selbst. - wir folgen anderen Bildern. Die Geburtshöhle wird beknallt mit Drücken und
Streicheleinheiten, mit Badewasser und Säure, sie wird den Berg runtergeworfen und sie fliegt der Sonne entgegen. Das Wahrnehmen von Welt: das Andere.

Die Geburt ist beides. Und diese Geburt ist kein dramatischer Akt, diese dritte:
sie ist angesagt, wenn man die Geburtshöhle kennt: sich in ihr kennt, in ihr tanzt.

Das Erscheinen des AußerGewöhnlichen ist zu berücksichtigen. Im Starkult, in der ganzen Branche der elektronischen und der Techno-Musik liegt die Hoffnung auf den großen Durchbruch, der immer bestimmte Gefühle
besungener Zustände ausdrückt. Orpheus: der den Tod überzeugte, ihm seine Geliebte zurück zu geben. Der Tod und die Liebe - und dann die Freiheit - sie bleiben die Themen: Zustände wie Glas und Projektion, Zustände des Lichts und der Finsternis. Licht fischen! Folglich wird Attac, werden Greenpeace, Amnesty und die Völker des blauen Planeten feste Größen in der Faktorey und ihren gegenwärtigen körperlichen Zuständen. Nicht sprechen will ich hier über die MediaMime, also den Spielplan der PiscatorMedienArena. Noch nicht über Gruppen, die abends ab 2o h spielen können, denn der eigentliche Faktorey-Betrieb startet ab 23.3o. Ab Sonnen-Untergang bieten wir Training an.